Unzählige Hunde verschiedenster Rassen und verschiedensten Alters tummeln sich dort und am allerliebsten würde man jeden einzelnen mitnehmen, um ihm ein neues Zuhause zu geben. Geht natürlich nicht, leider. Zum Glück leisten die Tierheime tolle Arbeit darin, das Beste aus dieser für alle Hunde zweifellos schwierigen Situation zu machen und versorgen sie – auch wenn Geld und Zeit häufig knapp bemessen sind – so gut wie möglich.
„So gut wie möglich“ ist aber längst kein Idealzustand. Denn bei aller Mühe ist das Lebensumfeld der Tierheimhunde ganz schön stressig! Fremde Menschen, fremde Hunde, fehlende Kontrolle über das Umfeld, Lärmpegel, neues Umfeld, Trennung von Bezugspersonen – all das (und noch einiges mehr!) stresst die Hunde. Und alles, was die Hunde stresst trägt dazu bei, dass sie sich nicht von ihrer allerbesten Seite zeigen können. Wir als Besucher sehen dort deshalb nicht selten eine ganze Palette an nicht so schönem Verhalten: Bellen, Aggressionsverhalten, apathisches Verhalten, zerstörerisches Verhalten, Verteidigung von Ressourcen.
Das heißt: Oft (nicht immer, versteht sich) sind diese vermeintlich problematischen Verhaltensweisen also lediglich Symptom eines sehr hohen Stresspegels. Und das heißt auch: alles, was wir – Besucher und Gassi-Gänger – tun können, um diesen Stresspegel zu senken, hilft den Tierheimhunden. Es hilft leiser zu sein, „netter“ zu sein, es hilft entspannter zu sein. Es hilft, sich von der besten Seite präsentieren zu können, um letztendlich möglichst schnell in beste Hände vermittelt zu werden.
Was also können wir tun?
- sensorische Stimulation…Das kann heißen: entschleunigtes Gassi, entspannt, mit ganz viel Zeit für die Hundenase. Kein Gassi-Gang sollte des Laufens wegen stattfinden. Das kann auch heißen: auf der Wiese sitzen und der Welt zusehen; beobachten, riechen, fühlen. Das kann auch heißen, interessante Objekte zu erkunden: Futterspiele (Intelligenzspielzeuge, Kongs etc.), neue Spielzeuge bereichern den Tierheim-Alltag draußen und – sofern möglich – im Zwinger.
- soziale Stimulation…Sozialkontakt zum Sozialpartner Mensch und zu Artgenossen ist wichtig für jeden Hund. Futterspiele bieten unkomplizierte soziale und sensorische Stimulation. Häufig bieten kooperierende Hundeschulen in gut geführten Social Walks auch für Tierheimhunde Möglichkeiten, positive Sozialkontakte zu sammeln und nettes Verhalten mit Mensch und Artgenossen zu üben.
- Aber: Stimulation, egal welcher Art, sollte den Hund nicht überfordern und an den jeweiligen Hund angepasst werden. Kein Hund profitiert von zu intensiven Spaziergängen. Zu harte/große Objekte frustrieren mehr als dass sie stimulieren, zu weiche können destruktives Verhalten veranlassen. Sozial unsichere Hunde sollten nicht zu schnell in den Kontakt mit fremden Menschen oder Artgenossen geführt werden. Habt also ein Auge auf den Hund und klärt eure Vorhaben mit dem Personal.
- Training kann, muss aber nicht sein; einfache Übungen genügen. Übertriebener Ehrgeiz, Druck, Zwang, aversive Methoden sollten vermieden werden, denn das sorgt für Erwartungsunsicherheit, schlechten Assoziationen – und Stress. Cleverer ist es, den Hund in Situationen zu bringen, in denen er erwünschtes Verhalten zeigen kann und dieses zu belohnen. Das fördert Selbstwirksamkeit, Vertrauen und Kreativität!
Eigentlich gar nicht so schwierig, oder? Natürlich ließe sich diese Liste fortsetzen. Natürlich ersetzen Maßnahmen zur Stress-Reduktion keine notwendige Verhaltenstherapie/kein notwendiges Training. Aber: Ein niedriger Stresspegel ist die beste Grundlage für jedes Training. Für alle Tierheim-Besucher und Gassi-Geher heißt das: Nehmt euch Zeit und gebt sie den Hunden. Zeit zum Erkunden, zum Hund-Sein… Qualitätszeit eben, im Zwinger und draußen! Und so kann tatsächlich jeder, auf ganz unspektakuläre Art und Weise, einen kleinen Teil zu einem besseren Hundeleben im und außerhalb des Tierheims beitragen.